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Predigt aus Römer 2,23

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Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Veltheim-Oberflachs

Predigt aus Römer 2.23

im Gottesdienst am 10. Februar 2019

Pfr. Christian Vogt


Du rühmst dich des Gesetzes und raubst Gott die Ehre durch die Übertretung des Gesetzes!

Röm 2,23


Liebe Gemeinde


Der Abschnitt aus dem Römerbrief, den wir in der heutigen Lesung hörten, klingt den meisten von uns wohl fremd in den Ohren. Mich schmerzt das Gehörte mitunter gar. Gerade vor dem Hintergrund der 6 Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden des zweiten Weltkrieges und der aktuell wieder vermehrt antisemitischen Stimmung in Europa, habe ich Mühe mit dem Text. Im Wissen um die unentschuldbaren Übergriffe auch in der Schweiz auf Menschen, die ihren Glauben sichtbar leben, empfinde ich Schmerz und Trauer bei den Worten des Paulus.


Die gehörten Verse reihen Stereotyp an Stereotyp. Der Heidenapostel führt ein grauenhaftes Bild ein. Aus den Menschen jüdischen Glaubens seiner Zeit macht er den Juden. Diesen stellt er als Führer des Blinden dar, er der doch selbst blind ist und nur zum Verführer taugt. Er belehre andere über das Gesetz, halte es aber nicht. Er sei ein Lügner, Ehebrecher und Tempelräuber. In dem er so tue, als ob er Gott die Ehre gäbe, nehme er sie ihm. Ja, mit seinem Verhalten bringe er Gott selbst in Verruf. Er bilde sich viel auf seine Beschneidung am Fleisch ein und sei doch am Herzen unbeschnitten. Er stelle sich über seine Mitmenschen und werde am Ende von jenen gerichtet, die nicht unter dem Gesetzt stehen und dennoch das Gesetz erfüllen. «Nein, ein Jude ist, wer es im Verborgenen ist, und die Beschneidung ist eine Beschneidung des Herzens», schreibt Paulus.


Diese und ähnliche Stellen in den Briefen des Paulus wirkten sich im christlichen Europa negativ aus. Sie dienten mit dazu Menschen jüdischen Glaubens aus der Gesellschaft auszuschliessen. Spot, Verfolgung und Mord wurden mit ihnen begründet. Historischer und gegenwärtiger Antisemitismus wurzelt in ihnen. Sie haben eine menschenverachtende und demütige Seite.


Diese düstere Seite ist Teil der Wirkungsgeschichte unseres heutigen Lesungstextes. Es ist nicht damit getan «Nein!» zu dieser Lesart zu sagen. Es ist nicht damit getan, diesen Text als Kind seiner Zeit zu lesen. Es ist nicht damit getan zu sagen, wie diese Stelle eigentlich zu verstehen ist. Es ist nicht damit getan darauf hinzuweisen, dass gerade der Römerbrief davor warnt die christlichen Wurzeln im Judentum zu leugnen. Denn aus dieser Wurzel fliesst das Heil durch Christus den Heidenchristen zu, so Paulus.


Wie konnte das die Kirche im Laufe ihrer 2000jährigen Geschichte nur vergessen? Mehr als einmal stellte sie sich in den Dienst des Antisemitismus. Mehr als einmal hörte sie den Hahnenschrei und weinte bittere Tränen über den Verrat an Christus.


Als Kirche des Wort Gottes, die sich auf die Bibel als Zeugnis eben dieses Wortes stützt, sind wir untrennbar mit jener Schuld verstrickt. Als Christinnen und Christen müssen wir uns dieser und manch anderer Schuld unserer Kirche stellen. Als Glieder dieser Kirche übernehmen wir nicht bloss die Hoffnung auf die Gnade in Jesus Christus, sondern auch das göttliche Nein zu unserer Schuldlosigkeit. Als Glieder dieser Kirche sind wir schuldig. Als Christinnen und Christen können wir uns nicht freisprechen von der Geschichte.


Denn wo wir uns freisprechen, da lösen wir uns zugleich aus der Gemeinschaft der Kirche. Wir lösen ein Glied aus der Kette der Geschichte, die uns als Kirche mit dem Urgrund allen Kircheseins verbindet. Wir verlieren als sichtbare Kirche unsere Verankerung in der unsichtbaren Kirche Jesu Christi. Als sichtbare Kirche können wir nur Kirche sein, wenn wir zu unserer Schuld stehen. Wenn wir uns nicht von ihr freisprechen, sondern verantwortungsvoll mit ihr umgehen. Als sichtbare Kirche müssen wir uns nicht vor der Welt beweisen, sondern sollen zu unserer Schuld stehen.


Wenn uns die Welt vorhält, dass wir die Zehn Gebote predigen, sie selbst aber nicht halten – Was können wir anderes sagen als «Ja, auch unsere Kirche hat Schuld auf sich geladen»? Wir mordeten in den Religionskriegen des 16. Jahrhunderts – nicht nur Zwingli starb in der Schlacht bei Kappel! Es war nicht die erste und blieb nicht die letzte Schlacht, die im Namen des Glaubens geführt wurde.


Wir haben die Ehe gebrochen, als wir in der Zeit des Nationalsozialismus nicht bedingungslos zu unseren Schwestern und Brüdern im Geist in Deutschland standen. Im Nachhinein kann ich es mir nicht erklären, wie lange noch Positionen der Mässigung und der Nichteinmischung in der reformierten Kirche vertreten wurden. Die kirchliche Aufarbeitung dieser Schuld begann erst Ende der 1990er und frühen 2000er Jahre und ist längst nicht abgeschlossen. In der kirchlichen Erinnerung wurde bisher vor allem an die prophetischen und helfenden Kräfte erinnert. Der Flüchtlingspfarrer Paul Vogt zum Beispiel. Aber auch Karl Barth – dessen Römerbriefkommentar uns heute hier zusammenführt.


Oder in unserer Zeit. «Tue Gutes und sprich darüber!» sagt das Marketing. Denn nur wer sichtbar ist, wird gehört. Nur wer gehört wird, bekommt Spenden. Und sind wir ehrlich: Wie viele Menschen zahlen ihre Kirchensteuer mit der Haltung des edlen Spenders ein? Schliesslich tut die Kirche viel Gutes! Wird sie zu politisch, so treten sie aus.


Als reformierte Landeskirche sind wir auf die Steuerzahler angewiesen. Ohne sie könnten wir die nötige Sanierung in unserer Kirche nicht finanzieren. Da ist es doch nur logisch auf die bedeutende Fledermauskolonie unter unserem Kirchendach hinzuweisen. Auch ihr Schutz wird zum Teil mit Kirchensteuergeldern finanziert und das ist gut so!


Wer aus der Kirche austritt und die Kirchensteuer spart, entzieht nicht nur dem Gottesdienst Mittel. Er gefährdet auch das soziale Engagement der Kirche zu Gunsten der Gesellschaft. Ganz im Sinne des Marketings weist die Kirche darauf hin. «Tue Gutes und sprich darüber!» lautet das Motto.


Wie anders klang es vor 2000 Jahren! «Lass deine Linke nicht wissen, was die Rechte tut!» (Mt 6,4), sagt Jesus und Petrus bezeugt: «Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.» (Apg 5,29)


Der biblische Umgang mit den Almosen und die gegenwärtige Kommunikation des kirchlichen Engagements stehen im Widerspruch zu einander. Gehorchen wir Gott oder Menschen? Ein Spannungsfeld tut sich auf. Auf diesem Hintergrund klingt der Satz des Paulus, den wir in der Lesung hörten, in meinen Ohren plötzlich ganz anders: «Du rühmst dich des Gesetzes und raubst Gott die Ehre durch die Übertretung des Gesetzes!»


Nicht länger ist ein Mensch gemeint, der vor 2000 Jahren in Rom lebte. Nicht länger ist ein gesichtsloser Archetyp betroffen. Nicht länger geht es um denjenigen, der sich selbst Jude nennt.


Die Trennung von Juden und Heiden ist in diesem Getroffensein aufgehoben. Der Text spricht nicht von Atheisten und Frommen. Er spricht zu mir! Ich bin in Frage gestellt.


Nicht meine dunkle Seite. Nicht mein Sündersein. Sondern in meinem Gutsein. Weil ich um den Willen Gottes weiss und seine Gebote kenne, bin ich in Frage gestellt.


Ich kenne die Zehn Gebote. Ich bringe sie meinen Schülerinnen und Schülern bei. Ich rede darüber. In Gesprächen beim Kirchenkaffee, aber auch bei Besuchen. Ich weiss darum, dass sie alle im Doppelgebot der Liebe zusammenfliessen. «Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!»


Wie oft halte ich diesen zweiten Teil? Geht es mir nicht gleich, wie vielen anderen, die sagen «Ich bin gut! Ich tue Gutes!» und dabei meinen: «Es gibt schlimmere als mich!», «Ich bin doch zumindest besser als der Durchschnitt!» oder «Ich nicht – die anderen auch!»


Seit Adam und Eva weiss der Mensch, was gut und richtig ist. Oft tut er es, doch nicht immer. Unser Gutsein und unsere Gerechtigkeit sind immer nur relativ. Wir sind nicht gut, höchstens weniger schlecht, als andere. Wir sind nicht gerecht, sondern höchstens weniger ungerecht als andere. Wir sind nur im Vergleich mit anderen gut oder böse. Doch, wo wir uns gut nennen, da setzen wir uns über einen anderen. Wir erniedrigen, um uns selbst zu erhöhen. Wir vergleichen. Wir lieben den Nächsten und sind doch in unserer Eigenliebe gefangen. Wir betonen «wie dich selbst», noch bevor wir die Liebe zum Nächsten ausprobiert haben. Wir hören einen Schutz vor übermässigem Engagement bevor wir uns auch nur engagiert haben. Wir relativieren. Die göttliche Forderung wird auf das menschenmögliche skaliert.


Wir relativieren, damit wir uns nicht unserer Schuld stellen müssen. Wir streiten ab und sprechen uns los, dabei verwickeln wir uns bloss umso mehr. Wir kämpfen um unsere Rechtfertigung. Wir strengen uns so sehr an gut zu sein, dass wir ganz vergessen, dass Gott uns erlöst hat. Er hat uns freigesprochen! Seine Gerechtigkeit in Jesus Christus ist unsere Rettung. Dies ist die Ehre Gottes!


Dass Gott uns freispricht, ist seine Ehre. Er spricht uns frei, weil in Jesus Christus das ganze Gesetz erfüllt ist. Das ganze Gesetz, das wir so oft krampfhaft zu erfüllen versuchen. Das ganze Gesetz, an dem wir scheitern, weil es uns nie gelingen kann, es uns selbst zu erfüllen. Weil wir Mangelwesen sind im Blick auf die Liebe. Weil wir nicht lieben können, wie nur Gott liebt.


Wir rauben Gott die Ehre, wo wir aus eigener Kraft gut sein wollen.


Was sollen wir nun tun? Resigniert aufgeben und nicht länger nach dem Guten streben?


Nein, das wäre der falsche Weg. Nicht das Streben nach dem Guten nimmt Gott die Ehre, sondern sich mit dem Guten vor Gott rechtfertigen zu wollen. Mit dem Guten, das wir immer nur in Relation zu unseren Mitmenschen für uns reklamieren können. Mit dem Guten, das den Nächsten niederdrückt und so aufhört gut zu sein.


Wir sollen und wir dürfen nach dem Guten streben. Doch sollen und dürfen wir dabei wissen, dass Gott uns schon längsten freigesprochen hat. Wir brauchen das Gute, nach dem wir streben, nicht um uns selbst zu rechtfertigen. Wir streben nicht nach ihm, damit wir vor Gott bestehen können. Wir können es nicht aus uns selbst heraus. Wir können es nur in Jesus Christus.


Wir streben nach dem Guten, nicht zu irgendeinem Zweck, sondern allein darum, weil das Gute gut ist.


So sollen, können und dürfen wir ein zweifaches: Wir streben nach dem Guten und wir vertrauen auf Gottes Freispruch aus reiner Gnade.


In Anlehnung an einen berühmten Ausspruch von Karl Barth fasse ich meine Gedanken zusammen. Als Menschen vor Gott sollen wir nach dem Guten streben, ohne uns selbst damit vor Gott rechtfertigen zu wollen. Als Menschen vor Gott können wir das Ziel unseres Strebens nicht erreichen. Wir sind Mangelwesen in Bezug auf die Liebe.


In beidem, unserem Sollen und unserem Nicht-Können dürfen wir auf Gott vertrauen und ihm die Ehre geben. Er selbst spricht uns frei. Er erlöst uns von unserer Schuld.

Amen

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